Als Gitarrist und Songwriter der Boo Radleys gelang ihm Mitte der Neunziger mancher Klassiker des Britpop-Kanons. Allen voran die bis heute nachwirkende Aufmunterungspille "Wake Up, Boo!" und das dazugehörige Album "Wake Up", das bis an die Spitze der UK-Charts gelangte. Indie-Connaisseure verweisen auch gerne auf den 93er Geniestreich "Giant Steps", mit dem Martin Carr seine Band aus der Shoegaze-Falle der früheren Songs befreite und aus Elementen wie Dub, Noise-Rock, Sixties Psychedelia, Jazz, Ambient und Dance "the quintessential eclectic 90s album" (The Quietus) modellierte.

Ein ähnlicher Höhenflug blieb den Boo Radleys mit den Folgearbeiten - trotz ihrer Qualitäten - verwehrt. Die Band trennte sich 1999, und auch Martin Carr experimentierte in Folge mit seinen Soloversuchen als Brave Captain abseits der Mainstream-Wahrnehmungsgrenze. Es war dies eine dunkle Phase seines Lebens, privat, künstlerisch und kommerziell, aus deren Schatten er lange nicht herausfand.

Doch weil Totgesagte eben länger leben, überrascht Carr nun mit seinem besten Album seit Boo-Radleys-Tagen, wenn nicht seines Lebens. "The Breaks" ist ein echtes Füllhorn an Glückshormonen. Und das obwohl der heute 46-Jährige zum Zeitpunkt des Songschreibens immer wieder von Zweifeln heimgesucht wurde und sich das Gefühl, nicht richtig dazu zu gehören überhaupt wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben zieht. "Das Verrückte ist", sagt er, "dass es trotz all meiner Ängste die unmittelbarste und zugänglichste Platte geworden ist, die ich seit langer Zeit gemacht habe. Ich liebe Popmusik und ich finde, sie hat eine sehr befreiende Wirkung. Sie erfüllt mich mit Freude."

Eine Freude, die sich unmittelbar auf das Publikum überträgt. Denn die wohlige Wärme seiner Melodien lässt vermuten, dass Carr sogar einem Sterbenden die letzte Ölung spenden und ihm dabei noch ein warmes Lächeln entlocken könnte. Wir erleben Himmelfahrtsmomente zwischen Merseybeat und Psychdelic-Pop der 60er, Streicher- und Bläser-Arrangements à la Burt Bacharach, Wall-of-Sound-Produktionen im Stile von Phil Spector, Soul-Hommagen an Isaac Hayes und das Stax-Label - und mittendrin Carrs Stimme, die das Album erdet und ihm gleichzeitig Flügel verleiht.

Mit Martin Carr gilt es einen Singer/Songwriter (wieder) zu entdecken, der ganz eindeutig Popmusik schreibt ohne sich anzubiedern, und dessen gesamte Karriere von einem ambivalenten Verhältnis zu konventionellen Hörgewohnheiten geprägt ist.