Programm
Mi. 16.10.2013 // 20:00 | LiteraturSalon

Karl-Markus Gauß

Das Erste, was ich sah


// MS (num. Sitzpl.): € 9/11/13 // Tickets!


[Programmübersicht Flexibles Posthof-Abo Herbst 2013]

Hören, sehen, riechen, spüren. In seinem neuen Buch erzählt Karl-Markus Gauß von den ersten sinnlichen Eindrücken eines kleinen Jungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts und entwirft zugleich das Bildnis des Autors als verwöhntes Kind. Gekonnt verschränkt er Vergangenheit und Gegenwart, behutsam und eindringlich beschreibt er die Szenen und zeigt: Die 50er-Jahre waren nicht nur die Jahre des Wiederaufbaus, sondern auch traumatische Jahre nach dem Krieg, in dem die Gesellschaft sich erst wieder finden musste.

Die Aufmerksamkeit des namenlosen Erzählers wird von der Stimme aus dem Radio geweckt: Diese Stimme verliest Namen, Namen von Vermissten und Namen von Orten, wo sie zum letzten Mal gesehen wurden. Das nächste sind die Worte der Eltern, der Geschwister, neue Worte, Worte in anderen Sprachen. Er erkundet das Zimmer, die Wohnung, das Haus, in dem mehrere Parteien leben. Je mobiler er wird, desto weiter wird sein Radius, er entdeckt den Spielplatz, die Wiese zum Fußballspielen. Das so unterschiedliche Verhalten der Menschen um ihn herum fällt ihm auf. Oft ist davon die Rede, woher jemand kommt oder wo jemand einst war. In dieser kleinen Welt wetterleuchtet die große: Der Krieg, der gerade erst vergangen ist, bleibt in dieser Kindheit immer präsent, mit all seinen Versehrten, denen das Kind auf seinen täglichen Wegen begegnet, wie auch der neue, der Kalte Krieg in das Leben der Familie hineinwirkt.

Die Erinnerung, die so zu uns spricht, ist wehmütig und ironisch, sie feiert den Zauber des Neuen und verschweigt auch nicht das Erschrecken davor, sie holt Dinge aus der Vergessenheit herauf und beschwört Haltungen, die längst verschwunden sind. Und sie zeigt ein Kind, das früh die Macht der Wörter erahnen lernt und sich in den Geschichten, die es hört, die Welt auf eigene Weise erklärt.

"Karl-Markus Gauß hat ein sehr persönliches Erinnerungsbuch geschrieben, ohne dass er darin den eigenen Namen nennt. So macht er sich zum Chronisten. Einer Zeit, die durch seine Schilderungen lebendig wird und eines kindlichen Erwachens. 'Das Erste, was ich sah', ist auch eine Entwicklungs-und Wahrnehmungsgeschichte, Zeugnis sinnlicher Welterfahrung und daraus hervorgehender Bewusstseinsbildung." (Deutschlandradio)

Karl-Markus Gauß, geboren 1954 in Salzburg, wo er heute als Autor und Herausgeber der Zeitschrift Literatur und Kritik lebt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet, darunter mit dem Prix Charles Veillon, dem Georg-Dehio-Preis und dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay. Bei Zsolnay erschienen zuletzt "Die Hundeesser von Svinia" (2004), "Die versprengten Deutschen" (2005), "Zu früh, zu spät" (2007), "Die fröhlichen Untergeher von Roana" (2009) und "Im Wald der Metropolen" (2010), und "Ruhm am Nachmittag" (2012).

Karl-Markus Gauß, Das Erste, was ich sah, Zsolnay Verlag, 2013

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