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Essays

ELFRIEDE HAMMERL

BUCKLKRAXN - Erfolgsrezepte in Zeiten der Ich-AG


Mo. 01.03.2004

Statt Frauenpolitik jetzt: Mentoring, propagiert von der Frauenministerin - oder richtiger; von der Ministerin, die angeblich auch für Frauen zuständig ist. Prämisse: Wir greifen das Patriarchat nicht an, wir gehen damit um. Die alte postfeministische Illusion von smarten, listigen Weibern, die hinter der Maske der geschmeidigen Anpassung beinhart die eigenen Ziele verfolgen. Was noch einmal Anpassung bedeutet, denn Egoismus ist ja äußerst angesagt in Zeiten der Ich-AG, er ist das Essential im gesellschaftspolitischen Konzept des Jede/r ist sich selbst der/die Nächste-Turboliberalismus (der den Begriff liberal als Befreiung von sozialer Verantwortung missdeutet und missbraucht).
Also: Mentoring. Keine aufrührerische Forderung nach Strukturänderungen, sondern privates Huckepack. Jede erfolgreiche Frau schnallt sich quasi ein Jahr lang eine aufstrebende jüngere Frau auf den Rücken, trägt sie durch ihren Berufsalltag, damit sie aufpassen, zuschauen und mitschreiben kann, wie der Berufsalltag von einer Erfolgreichen mit Erfolg bewältigt wird, und weiht sie ein in ihre Patentrezepte. Als gäbe es welche, und als wären Männer nur deshalb häufiger in Führungspositionen, weil sie ihre Patenrezepte seit jeher willig an ihre Geschlechtsgenossen weitergereicht haben, und als hätte beruflicher Aufstieg nichts mit geschlechtsspezifischen Rahmenbedingungen zu tun, beziehungsweise als wären geschlechtsspezifische Hürden mit ein bisschen weiblichem Geschick zu umgehen, was bloß der Bekanntmachung unter Weibern bedürfe.
Privatisierte Frauenförderung. Selber schuld, wenn ihr es nicht schafft, einander die Karriereleiter hinaufzuschubsen.
Ehrenamt und Charity statt staatlicher Verpflichtung. Auslagerung aller, die nicht spuren (können), wie es der auf Gewinnmaximierung bedachte Zeitgeist befiehlt.
Kinderbetreuungspflichten? Nicht relevant. Kindergartenmilliarde gestrichen, Ganztagsschulen nein. Statt dessen: Hol dir Rat bei den Frauen, die's geschafft haben. (Die sagen dann stets: Es ist alles nur eine Frage der Organisation. Dass sich ohne Geld keine Babysitter und keine Kindermädchen organisieren lassen, sagen sie nicht).
Oder: Privatisierung des Erkrankungsrisikos. Krankheit als selbst verschuldetes Ereignis. Zu wenig gesund gelebt. Wer gesund lebt, soll belohnt werden. Wer nicht gesund lebt, zahlt Selbstbehalte und erhöhte Rezeptgebühren und bald vielleicht auch höhere Beiträge. Wie lebt man gesund? Man betreibt Sport. Man geht zu Fuß. Man verzichtet auf den Lift und steigt Stiegen. Man isst Fleisch vom Biobauern. Gesundheit ist machbar.
Schadstoffe in der Luft, Pestizide im Salat, zu wenig Geld für Bio, genetisch gefährdetes Herz, Stress am Arbeitsplatz? Egal.
Vielleicht Mentoring? Vollfitte Erfolgstypen verraten, wie sie ihre Kondition halten: Morgenlauf durchs grüne Villenviertel, bewusste Ernährung (kein Billig-Lachs aus der Fischfarm), spannender Job, Regeneration im Kreis liebevoller Familie (auch Zweit- oder Drittversion, falls erforderlich fürs Wohlbefinden). Vermeiden Sie Armut, Frustration am Arbeitsplatz sowie Schicksalsschläge und versuchen Sie, Mitte Dreißig zu bleiben. Ja dann.
Apropos: Privatisierung des Risikos, alt zu werden. Nicht auf die staatliche Pension verlassen! Drei-Säulen-Modell: staatliche Pension, Betriebspension, Eigenvorsorge.
Gleichzeitig: Privatisierung des Risikos, keinen Arbeitsplatz zu haben. Mehr Mut zur Selbständigkeit! Durchgehende Beschäftigungsverhältnisse sind überholt, die Zukunft gehört der selbständigen Projektarbeit, zwischen zwei Projekten ist eventuell mit Durststrecken zu rechnen.
Wie das zum Drei-Säulen-Modell passen - heißt: woher dann die Betriebspension bzw. das Geld für die Eigenvorsorge kommen - soll, diese Frage lagern wir ebenfalls in die private Selber-Schuld-Zone (selber schuld, wer darüber nachdenkt) aus.
Und dazu der Schmäh von der Leistungsorientierung: Motivation durch die Möglichkeit, es zu was zu bringen! Als ob der Abstand zwischen den Vermögensverhältnissen eines, sagen wir, Frank Stronach oder Thomas Prinzhorn und dem Einkommen einer Spitalsärztin durch unterschiedlichen Leistungswillen zustande käme! Als ob nicht besteuerte Vermögen und Aktiengewinne eine Leistungsbelohnung wären!
Aber behauptbar ist alles. Zukunftsforscher Matthias Horx, ein weithin respektierter sogenannter Experte, behauptet zum Beispiel in der "Presse" (am Schluss einer an sich gescheiten Betrachtung über die Wissensgesellschaft, in der akademische Bildung ein notwendiges Instrument, aber kein Gutschein für gehobene Jobs sei) dieses: "Liebe Akademiker, keine Bange: Wenn ihr mehr zu bieten habt als einen Titel (...) werdet ihr über kurz oder lang anyway einen Job finden (...). Wer aber in den alten Garantien und "Plätzen" denkt, für den ist irgendwann Taxifahren, Kellnern, Alleinerziehen leider mehr als angesagt."
Dass auch Alleinerziehen in die Kategorie Strafe für mangelnde Eigeninitiative fallen soll, ist als These nicht nur originell, sondern würde zudem einen Ansatz für gezieltes Mentoring bieten. Alleinerzieherinnen! Nicht jammern, sondern einfach Barbara Becker oder Jodie Foster fragen, wie sie das mit den Kindern und dem Winterurlaub in Gstaad hinkriegen, okay?

Elfriede Hammerl ist Kolumnistin bei "profil" und schreibt Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Sie war Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens. Publizistikpreis der Stadt Wien 1999. Zuletzt erschienen: "Mausi oder Das Leben ist ungerecht" (Roman), Deuticke 2002.



Montag, 29. April 2024

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